Museum des Nötscher Kreises

Franz Wiegele, Mädchenporträt, um 1923, Öl Pergament, 54 x 43 cm, Privatbesitz; Rückseite: Maria Lassnig, Selbstporträt, 1946, Kohle auf Papier, 36,5 x 30 cm, Privatbesitz Courtesy Galerie Maier, Innsbruck

Archiv Ausstellung 2012

Franz Wiegele – Maria Lassnig

Begegnung im Kesselwald

22. April bis 28. Oktober 2012


Die Maler, die heute zum engeren Nötscher Kreis gezählt werden, sind Sebastian Isepp, Anton Kolig, Franz Wiegele und der um eine Generation jüngere Kolig-Schüler Anton Mahringer. Isepp, Kolig und Wiegele waren durch die gemeinsame Studienzeit Anfang des 20. Jahrhunderts und durch die daraus hervorgegangenen Künstlerfreundschaften verbunden wie auch durch ihre familiären Bindungen zu Nötsch. Gemeinsam war ihnen ihr Interesse an den klassischen Themen der Malerei, vom Porträt über das Stillleben bis hin zum Landschaftsbild und zur Aktzeichnung. Im Vordergrund ihrer Arbeiten standen die Farbe und ihre formschaffende und plastische Funktion. Durch das Wirken der Maler wurde Nötsch zu einem bekannten Kunstzentrum. Dazu trug auch der ständige Kontakt der Künstler mit der internationalen wie nationalen Kunstszene bei sowie ihre rege Reisetätigkeit. Anhand von Ausstellungen mit Leihgaben aus öffentlichen und privaten Sammlungen wird jährlich ein Einblick in das Schaffen der Nötscher Maler gegeben. Ihre Begegnungen mit Künstlern, Literaten und Kunsttheoretikern ihrer Zeit und damit ein Stück der österreichischen Kulturgeschichte werden so wieder ins Zentrum gerückt. Es ist dem Museum ein Anliegen, die Bedeutung des „Nötscher Kreises“ als Knotenpunkt vielfältigster gesellschaftlicher, künstlerischer und biographischer Verbindungen und Beziehungen darzustellen. Ihre Künstlerfreundschaften unter anderem zu Egon Schiele, Herbert Boeckl, Clemens Holzmeister, Oskar Kokoschka, Anton Faistauer, Werner Berg, Gerhart Frankl oder Hans Gassebner oder zu den Literaten ihrer Zeit wie Hermann Hesse oder Michael Guttenbrunner standen bereits im Mittelpunkt diverser Ausstellungen im Museum.

Die diesjährige Ausstellung nimmt die Kontakte zwischen Maria Lassnig und Franz Wiegele als Anlass zur Konzeption einer vielleicht auf den ersten Blick ungewöhnlichen Gegenüberstellung der beiden Positionen. Als Franz Wiegele starb, war Maria Lassnig gerade auf dem Weg, ihre künstlerische Ausbildung zu beginnen. Dennoch zeigen gerade die frühen Arbeiten der Künstlerin, dass sie sich sehr wohl mit der Tradition der in Kärnten lebenden Maler rund um Franz Wiegele und Anton Kolig in Nötsch und vor allem mit dem von ihnen geprägten Farbkolorismus auseinandergesetzt hat.
Umgekehrt weisen manche Arbeiten von Franz Wiegele, vor allem die unfertigen Ölskizzen und manche Porträts, bereits auf die folgenden Entwicklungen der Kunst nach 1945 hin.

Franz Wiegele, der seit 1917 in Zürich lebte, kehrte, abgesehen von sommerlichen Aufenthalten bei der Familie in Nötsch, erst 1927 endgültig aus der Schweiz wieder nach Hause zurück und richtete sich im gemeinsamen Haushalt mit seiner Mutter ein. Jedoch pflegte er weiterhin Kontakte zu den intellektuellen Kreisen in Zürich, Salzburg und Wien und hatte auch bis 1930 ein Atelier in der Wiener Porzellangasse, in dem er sich hin und wieder aufhielt. Eine Berufung an die Wiener Akademie lehnte er ab. Statt dessen organisierte er sich ein Leben in Nötsch, arbeitete in der zum Atelier umgebauten Schmiede seines verstorbenen Vaters und ging seinen Leidenschaften, der Malerei, Rosenzucht und Jagd nach, im gepachteten Jagdrevier um seine Jagdhütte im Kesselwald, nahe der Feistritzer Alm. In dieser Zeit entstanden eine Reihe von Stillleben, Akte und Portraits und Familienbildnisse sowie das allegorische Werk „Abschied von der Jugend“ (1932-1941), das sich heute im Besitz der Kunstsammlung des Landes Kärnten/MMKK befindet. Die Arbeiten zeigen eine große stilistische Bandbreite und reichen von realistischen, detailgenauen Darstellungen etwa der Jagdhütte oder den Portraits seiner Jagdfreunde bis hin zu freien, mit gestischerem Duktus gemalten Bildkompositionen. Eben auf dieser Jagdhütte im Kesselwald besuchte Maria Lassnig Franz Wiegele, wie sie in ihrem Brief an den Maler, datiert 1943, schreibt. „Der Gedanke an den wunderbaren Platz im Kesselwald, so nah bei Gott, zählt zu unseren liebsten.“ Diesem Brief beigelegt waren Fotografien von Akten, die Maria Lassnig an Franz Wiegele sendete, um sie „seiner Kritik zu unterbreiten“. Maria Lassnig, die 1919 in Kappel am Krappfeld in Kärnten geboren wurde, studierte ab 1941 in der Meisterklasse Wilhelm Dachauer an der Wiener Akademie der bildenden Künste und führte ihr Studium bei Ferdinand Andri und Herbert Boeckl fort. Nach ihrem Diplom im gleichen Jahr kehrte sie 1945 nach Klagenfurt zurück. 1944 wurden das Atelier Franz Wiegeles sowie das Wohngebäude Anton Koligs, die sich nördlich des heutigen Museums befanden, durch einen zufälligen Treffer einer Fliegerbombe zerstört, und Franz Wiegele kam zusammen mit seiner Mutter Gertrud und seiner Schwester Hedwig Fina dabei ums Leben. Der Kontakt Maria Lassnigs zu Nötsch wurde nach dem Krieg 1946 mit Anton Kolig weitergeführt, den die junge Künstlerin durch die Galeristin Edith von Kleinmayr kennengelernt hatte. Dies wird durch mehrere Brief Anton Koligs belegt. In der Galerie Kleinmayr zeigte Maria Lassnig 1948 auch ihre ersten Einzelausstellung in Klagenfurt und präsentierte „Körperbewusstseinszeichnungen“ und kleine surreale Figurenkompositionen.

Die Ausstellung präsentiert frühe, selten gezeigte Arbeiten von Maria Lassnig aus öffentlichen Sammlungen sowie aus Privatbesitz und stellt diese thematisch in einen Dialog mit Porträts und Stillleben des Nötscher Malers Franz Wiegele. So zeigen die realistischen Selbstportraits und Stillleben der Künstlerin ihre Auseinandersetzung mit dem Farbkolorismus ihrer Heimat Kärnten. Dennoch ist bereits der Aufbruch zu einer internationalen Kunst spürbar. Auf die Rezeption des Kubismus und Surrealismus folgt, maßgeblich geprägt durch ihre Reise nach Paris 1951 (gemeinsam mit Arnulf Rainer), ein umfassender Werkkomplex informeller Malerei. 1961 bis 1968 arbeitet Maria Lassnig in Paris. 1968 zieht sie schließlich bis zu ihrer Berufung an die Hochschule für angewandte Kunst nach New York. Auf die Phase der „Bodyawarnessbilder“ folgen in den 1970er Jahren wieder traditionellere Themen wie Portraits und Stillleben. Maria Lassnig gehört zu den führenden österreichischen KünstlerInnen, deren Werk auch international bekannt ist. Anlässlich ihres 90. Geburtstages widmeten ihr das MUMOK Wien sowie die Serpentine Gallery in London eine umfassende Retrospektive und zeigten das beeindruckende Spätwerk der Künstlerin.

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Folder Ausstellung 2012 (pdf)