über Anton Koligs zerstörte Fresken
Ausstellung im Museum des Nötscher Kreises
vom 1. Juli bis 1. November 2020
Aus Anlass des 100-jährigen Jubiläums der Kärntner Volksabstimmung am 10. Oktober 1920 beschäftigt sich das Museum des Nötscher Kreises in seiner heurigen Ausstellung mit jenem für die österreichische Malerei der Zwischenkriegszeit bedeutenden Freskenzyklus, den Anton Kolig von 1929 bis 1930 zusammen mit einer kleinen Gruppe seiner Stuttgarter Studenten in einem Konferenzraum des Klagenfurter Landhauses zur 10-jährigen Wiederkehr dieses historischen Ereignisses gestaltete. Als Anton Kolig im Februar 1929 von der Kärntner Landesregierung, unterstützt durch eine großzügige finanzielle Spende des Landeshauptmannes von Hessen-Nassau, den Auftrag zur künstlerischen Ausschmückung dieses zwischen dem Kleinen Wappensaal und dem Landtagssitzungssaal gelegenen Beratungsraumes im Klagenfurter Landhaus erhielt, befand sich der Maler am Höhepunkt seiner Karriere. Einige Jahre zuvor wurde er bereits mit der Ausführung monumentaler Arbeiten betraut, wie beispielsweise mit zwei großformatigen Werken zur Ausgestaltung des Wiener Krematoriums, einer Reihe von gemalten Wandteppichen für das Salzburger Festspielhaus und einem Mosaik für das Tympanon des Salzburger Festspielhausportals sowie einem Fresko am Saaker Friedhof. Nachdem Kolig schließlich 1928 der Berufung an die Württembergische Kunstakademie in Stuttgart folgte, verbesserte sich seine Lebenssituation nicht nur durch das geregelte Einkommen maßgeblich, sondern er konnte als Professor seinen schon Anfang der 1920er Jahre in Nötsch entwickelten kunstpädagogischen Vorstellungen nachgehen. Der Klagenfurter Auftrag bot ihm nun die Gelegenheit, seinen lang gehegten Wunsch einer Malschule nach Vorbild einer mittelalterlichen Werkstatt oder einem Künstleratelier der Renaissance in die Realität umzusetzen und im gemeinsamen praktischen Arbeiten mit seinen Studenten Lehrtätigkeit und Künstlertum schöpferisch zu vereinen.
Am 22. Oktober 1929 begann Kolig mit einer Auswahl seiner Stuttgarter Studenten, unter Ihnen Hermann Erlenbusch, Anton Mahringer, Karl Kraus und Karl Bertsch, mit der Umsetzung des Vorhabens vor Ort. Zuvor, vermutlich im Zeitraum von August bis Oktober, erprobten sich die Schüler in der Kegelbahn des Gasthofs Michor in Nötsch (heute Hotel Marko), einem gern besuchten Treffpunkt der jungen Künstlerkolonie, in der Technik der Wandmalerei und experimentierten mit diesem Medium. Zu diesem Zeitpunkt dürfte das Grundkonzept für die Klagenfurter Ausführung teilweise schon festgestanden haben, da einzelne Szenen wie die „Balkenträger“ und ein „Gastmahl“ im dortigen Freskenzyklus ebenfalls aufscheinen. Das Rahmenthema, das den Wandmalereien zugrunde liegen sollte, wurde von den Auftraggebern im Sommer 1929 mit jenem wichtigen Ereignis der jüngeren Kärntner Geschichte vorgegeben, bei der sich rund 60 Prozent der gemischtsprachigen Bevölkerung Südkärntens für den Verbleib bei Österreich entschieden hatten, das Plebiszit vom 10. Oktober 1920. Allerdings sollte in diesem Projekt auch der Leitgedanke der Verbrüderung und geistigen Verbundenheit zwischen Österreich und Deutschland zum Ausdruck kommen, was auf den Einfluss des Dichters und Heimatbund-Obmanns Josef Friedrich Perkonig und seines Abwehrkämpfer-Kollegen Hans Steinacher zurückzuführen war. Jedoch hatte Anton Kolig sowohl bei der inhaltlichen Gestaltung und der Konzeption als auch bei der stilistischen Ausführung völlig freie Hand. So interpretierte der Künstler das gewünschte Sujet auf sehr persönliche Weise und wollte mit dem Bildschmuck eigentlich eine Art Epos über sein „Erlebnis Kärnten“ schaffen. Die Ostwand schilderte die Errichtung der Werkstätte, wobei Jünglinge Balken zum Bau trugen, sowie die gemeinschaftliche Arbeit des Lehrers mit seinen Studenten am Bild einer monumentalen Madonna mit Kind. Die Komposition der Nordwand repräsentierte den feierlichen Dank der Künstler in Form eines festlichen Banketts. Die dritte Wand im Westen bezog sich auf das Kärntner Volk und spielte mit der Gruppe der Sänger auf seinen traditionellen Kunstsinn und mit den Liebespaaren und der Mägdekammer auf seine Fruchtbarkeit an. Die abschließende Südseite wurde durch zwei Fenster unterteilt, in deren Laibungen vier Alpenjäger als Erinnerung an die Kärntner Freiheitskämpfe dargestellt waren. Dank Offizier und Abwehrkämpfer Rudolf Grass lieferte das österreichische Bundesheer Modelle, die direkt vor den Fresken posierten, wie es zeitgenössische Fotos belegen. Die Fläche zwischen den beiden Fensteröffnungen zierten eine aufblickende Gestalt und ein aufschwebender Genius, während neben dem westlichen Fenster ein hessisches Bauernpaar hinter einem Kindersarg trauerte. Dieses vielschichtige Freskenprogramm hatte Anton Kolig in seiner typisch expressiven Formensprache gestaltet. Um eine geschlossene Raumwirkung zu erzielen, begrenzte der Künstler die einzelnen Bildteile durch eine schmale Sockel- und Abschlusszone und bezog zusätzlich die edelrostgrüne Decke und den ziegelroten Fußboden in die farbige Gestaltung mit ein. Die einzelnen Szenen stießen übergangslos aufeinander und die überlebensgroßen Figuren agierten unmittelbar vor dem Betrachter im Bildvordergrund ohne räumlichen Illusionismus. Um eine tiefe brillante Farbigkeit zu erreichen, führten Kolig und seine Werkstatt die Fresken in einer speziellen Technik aus. Der Hauptteil der Malereien wurde mit farbigem Mörtel aufgetragen, worauf Übermalungen in Wachskaseinfarben gesetzt wurden.
Außerdem entwickelte Kolig eine eigene Malweise, um ein möglichst freies, pastoses Ergebnis zu erzielen.
Am Abend des 9. Oktobers 1930 wurden die Klagenfurter Fresken, an denen das Team bis zuletzt gearbeitet hatte, festlich eingeweiht. Jedoch schon kurz nach ihrer Fertigstellung begann eine öffentliche Auseinandersetzung über ihre künstlerische Qualität. Die Modernität und die für die damalige Zeit unkonventionelle Wirkung der Malereien stießen auf Unverständnis und Empörung. Insbesondere richtete sich die Kritik gegen den spontanen Duktus, die Distanzlosigkeit der überlebensgroßen Figuren, die als unvollendet empfundene Ausführung, die intensive Farbigkeit, die eigenwillige Technik sowie den geringen Bezug zum vorgegebenen Thema. Schließlich gipfelten diese Debatten in der Zerstörung des gesamten Freskenwerkes von Kolig und seiner Werksstatt zwischen November 1938 und Februar 1939 durch die Nationalsozialisten als „entartete Kunst“. Somit blieb der Nachwelt von diesem wichtigen Monumentalwerk Koligs nur mehr eine Reihe von Schwarz-Weiß-Fotos erhalten, wovon einige den Zustand von Dezember 1929 zeigen oder nackte Modelle vor den unfertigen Fresken, während die restlichen Fotos das abgeschlossene Ergebnis nach dem 10. Oktober 1930 wiedergeben.
In Kooperation mit dem Klagenfurter Landhaus hat nun das Museum des Nötscher Kreises in einem gemeinsamen Ausstellungsprojekt an diesen beiden Orten den Versuch unternommen, die Fresken dokumentarisch zu rekonstruieren sowie der Frage nach einer möglichen Farbigkeit und des optischen Effekts dieser Wandmalereien von Anton Kolig und seiner Werkstatt nachzugehen. Im Rahmen dieses Projektes hat sich eine Gruppe von jungen Studierenden der Wiener Universität für angewandte Kunst sowie die Künstlerin Elisabeth Wedenig mit diesem Monumentalwerk schöpferisch auseinandergesetzt. Künstlerische Reflexionen des Malers Guido Katol über Anton Koligs zerstörte Fresken ergänzen zusätzlich im Originalsaal des Klagenfurter Landhauses, den Cornelius Kolig, Enkel des Künstlers, 1999 unter Verwendung des erhaltenen Fotomaterials und unter Einbindung eigener bezugnehmender Arbeiten neu gestaltete, das Ausstellungskonzept vor Ort.
Kuratorin der Ausstellung: Sigrid Diewald