Leben für die Kunst
Ausstellung im Museum des Nötscher Kreises
vom 25. April bis 31. Oktober 2021
„Das bewusste Denken bestimmt die Form, in der Farbe zeigt sich das Seelenleben. Durch die bewusste Formbildung wird die gestaltete Farbe Substanz.“ (Karl Stark).
Ein wesentliches Anliegen des Museums des Nötscher Kreises ist neben der Präsentation der Werke der Nötscher Malergruppe vor allem das Aufzeigen und Sichtbarmachen ihrer vielfältigen Kontakte zu den unterschiedlichsten Intellektuellen und Künstlerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Daher ist die heurige Ausstellung dem Künstlerehepaar Karl und Elfriede Stark gewidmet, die dem Nötscher Kreis sowohl geistig-künstlerisch als auch räumlich stets intensiv verbunden waren. Karl Stark war einer der wenigen bedeutenden österreichischen Künstler, welche die expressionistische Tradition in der Malerei fortsetzten und diese auf eigenständige Weise weiterentwickelten. Geradlinig und konsequent verfolgte er seine künstlerische Zielsetzung und vertrat diese unbeirrt von Anfeindungen oder vorherrschenden Strömungen in der Kunst.
Karl Stark wurde am 4. November 1921 im steirischen Glojach geboren. Ab 1936 besuchte er vier Jahre lang die Fachabteilung für Bildhauerei bei Wilhelm Gösser an der Kunstgewerbeschule in Graz. Dort begegnete er auch Rudolf Szyszkowitz (1905 – 1976), der ein Jahr zuvor als Professor an dieses Institut berufen worden war, um hier eine Meisterklasse für Malerei aufzubauen, die als Grundstock für eine in Graz vorgesehene Kunsthochschule geplant war. Durch ihn erhielt Stark wesentliche Anregungen, die neue Dimensionen in sein Leben brachten und es entscheidend prägten. Szyszkowitz führte ihn in die Literatur mittelalterlicher Mystiker wie Meister Eckhart, Heinrich Seuse oder Johannes Tauler ein und vermittelte die künstlerischen Theorien und die Malweise der Gründer der klassischen Moderne wie Paul Cézanne, Vincent van Gogh oder Paul Gauguin. Darüber hinaus unterstützte der Lehrer Starks Begeisterung für die expressionistische Malerei und förderte sein Interesse an den Arbeiten Egon Schieles, Oskar Kokoschkas, Albin Egger-Lienz‘ und Anton Koligs. 1940 trat Karl Stark als Student in Szyszkowitz‘ Malereiklasse ein. Jedoch unterbrach im darauffolgenden Jahr die Einberufung zum Militärdienst seine Ausbildung. Während einer Zuteilung nach Wien 1944 konnte der junge Maler über einige Zeit hinweg am Abendakt von
Herbert Boeckl, der an der Wiener Akademie der bildenden Künste abgehalten wurde, teilnehmen. Nach Kriegsende setzte er sein Studium bei Rudolf Szyskowitz in Graz fort.
Auch in persönlicher Hinsicht war für Karl Stark die Grazer Kunstgewerbeschule von nachhaltiger Bedeutung. Hier lernte er Elfriede Petrasch (1922 – 2017) kennen, Tochter einer Klagenfurter Kaufmannsfamilie, die ebenfalls 1936 an diese Einrichtung kam. In ihr fand er seine kongeniale Lebenspartnerin, die seine große Leidenschaft für die Kunst teilte. Die junge Frau ging zuerst in die Fachklasse für Keramik bei Hans Adametz, danach ab 1940 in die Meisterklasse für Malerei bei Szyszkowitz, die sie, unterbrochen von einem zweijährigen Studienaufenthalt bei Karl Sterrer an der Wiener Akademie der bildenden Künste, bis 1947 besuchte. In diesem Jahr heiratete sie schließlich ihren Studienkollegen Karl Stark und zog mit ihm nach Wien, wo sie gemeinsam bis 1951 an der Akademie der bildenden Künste bei Albert Paris Gütersloh studierten. Allerdings wurden beide von ihm kaum künstlerisch beeinflusst. Ihre pastose, dem Ausdruck verpflichtete Malweise stand im auffälligen Gegensatz zum betont glatten und inhaltsbetonten Stil, welcher die Meisterklasse Güterslohs dominierte. Vielmehr waren es die Künstler des heimischen Frühexpressionismus wie beispielsweise Richard Gerstl, Jean Egger, Herbert Boeckl und Anton Kolig, denen Karl Stark wichtige Impulse verdankte. Der Maler teilte die Ansichten Koligs (1886 – 1950), den er noch persönlich kennengelernt hatte, über die Kunst weitgehend und wie für diesen war auch für Stark die Farbe Formbildner und Lichtträger, die Räumlichkeit, Körper und Stimmungen hervorrief. Bereits 1947 hatte Kolig Stark in einem Brief aus Nötsch als begabten Einzelgänger bezeichnet. Darüber hinaus war Stark auch mit den Werken der anderen Vertreter des Nötscher Kreises vertraut, die er zeitlebens sehr schätzte.
1951 übersiedelte das Künstlerehepaar nach Radlach bei Steinfeld im oberen Drautal, wo sie sich zwei Jahre zuvor eine Wohn- und Arbeitsstätte errichtet hatten. Die dortige Umgebung wurde schließlich zu einem zentralen Motiv im Œuvre Karl Starks, der sich neben den Charakteristika der gesehenen Landschaft besonders für ihre jahreszeitlichen und wetterbedingten Veränderungen interessierte. Nachdem sich die junge Familie durch die Geburt eines Sohnes und zweier Töchter vergrößert hatte, musste der Maler 1956 eine Lehrverpflichtung im Fach Gebrauchsgrafik an der Bundesgewerbeschule in Linz annehmen, um über ein geregeltes Einkommen zu verfügen. Jedoch war diese Tätigkeit für Stark eher unbefriedigend, und die Distanz zwischen Wohnort und Arbeitsplatz stellte eine zusätzliche Herausforderung dar, sodass er diese 1959 wieder aufgab. Außerdem hatte sich ab 1953 eine fortschreitende Sehbehinderung bei Elfriede Stark bemerkbar gemacht, welche die malerischen Aktivitäten der Künstlerin zunehmend einschränkte und letztendlich zehn Jahre später zu ihrer vollständigen Erblindung führte. Danach widmete sie sich der Literatur, insbesondere der Lyrik, wobei das Plastisch-Bildhafte auch den Duktus ihrer Sprachkunstwerke prägte.
Um als freischaffende Künstler eine Familie erhalten zu können, beschloss das Ehepaar Stark 1958 wieder nach Wien zu ziehen, da der urbane Bereich bessere Voraussetzungen für den Verkauf von Kunstwerken und Ausstellungsmöglichkeiten bot als der ländliche Raum. Das Radlacher Anwesen wurde aber als zusätzliches Domizil behalten und zeitlebens als künstlerischer Rückzugsort und zur familiären Erholung genutzt. Weil für Karl Stark die Würdigung der figuralen österreichischen Malerei der Zwischenkriegszeit und der Jahre nach 1945 ein persönliches Anliegen war, gründete er 1980 in Wien die „Galerie Austria“, welche er bis 1989 leitete. Dort stellte er neben seinen eigenen Bildern zum Beispiel Werke von Hans Böhler, Leopold Birstinger, Richard Gerstl, Jean Egger oder Alfred Wickenburg aus. Am 24. April 2011 verstarb Karl Stark in Klosterneuburg bei Wien.
Die Ausstellung möchte nun anhand charakteristischer Kärntner Landschaftsbilder, Stilleben und Porträts einen repräsentativen Einblick in die expressive Malweise Karl Starks geben. Die Beschaffenheit und Formen der dargestellten Objekte bildeten sich bei ihm aus dynamischen Farbschichten heraus, gestaltet durch seine unverwechselbare, spontane, gestische Handschrift, die er im Laufe seiner eingehenden Beschäftigung mit der Malerei immer mehr perfektioniert hatte und die zu einem zentralen Ausdrucksmittel in seinem Œuvre wurde. Eine Reihe ebenfalls gezeigter Werke von Anton Kolig und Anton Mahringer soll einen Vergleich mit den Künstlern des Nötscher Kreises ermöglichen und rundet die heurige Schau ab.
Kuratorin der Ausstellung: Sigrid Diewald