Aus Anlass des 50. Todestages von Anton Mahringer (1902–1974), der als jüngstes Mitglied zu jener losen Gruppe von Künstlern gezählt wird, die unter dem Begriff des „Nötscher Kreises“ die österreichische Kunst der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entscheidend mitgestaltete, möchte diese Ausstellung die unverwechselbare Malerei dieses Künstlers anhand seines zentralen Bildthemas, dem Motiv der Landschaft, insbesondere jener des Gailtales, präsentieren und seine Arbeiten ausgewählten Beispielen der vielfältigen künstlerischen Positionen innerhalb der Kärntner Landschaftsdarstellung seiner Zeit gegenüberstellen.
Wenn man das Œuvre Mahringers betrachtet, fällt sofort auf, dass er sich sein Leben lang sehr intensiv und beständig mit der künstlerischen Wiedergabe von Natur und Landschaft auseinandersetzte. Andere Gattungen der Malerei wie das Porträt, das Stilleben oder der Akt kommen zwar immer wieder einmal vor, jedoch beschäftigte er sich mit diesen Sujets nur peripher und sie haben quantitativ keinen entscheidenden Anteil in seinem Gesamtwerk. Mahringers künstlerisches Hauptanliegen galt daher speziell der Schilderung und bewussten Auslegung der ihn umgebenden Landschaft, mittels derer er seinen souverän artikulierten Malstil entwickeln konnte. Vor allem das Kärntner Gailtal, welches Mahringer zu seinem Lebens- und Arbeitsmittelpunkt gewählt hatte, spielte dabei eine wesentliche Rolle. Es bot dem Maler mit der Mannigfaltigkeit seiner Naturformen, der schroffen, fast unberührten Bergwelt, den sanften Wiesen und dichten Wäldern einen reichen Formenschatz, aus dem er kontinuierlich schöpfen konnte. Dieses Gebiet ließ ihn letztlich zu einem herausragenden Vertreter der Landschaftsmalerei werden.
Der 1902 in Neuhausen auf den Fildern bei Stuttgart geborene Anton Mahringer war bereits 1928, als er sich erstmals im Zuge einer Sommerexkursion mit seinem Professor Anton Kolig von der Württembergischen Staatsakademie im Gailtal aufhielt, so sehr von der Schönheit dieser Region fasziniert, dass er sich schließlich 1931 entschloss, sich dauerhaft in dieser Gegend niederzulassen. Hatte sein künstlerischer Fokus während der Studienzeit bei Kolig wie bei seinem Lehrer noch auf der Darstellung des Menschen gelegen, so verlagerte sich sein thematischer Schwerpunkt nun im Folgenden mehr und mehr auf das Sujet der Landschaft. Die Bilder dieser frühen Jahre mit verschiedenen Motiven aus der Umgebung von Nötsch waren vorwiegend kleinformatig und zeichneten sich durch eine äußerst pastose und gestische Malweise aus, die stilistisch noch den expressiven Gestaltungsmitteln Anton Koligs verwandt waren und Einflüsse von Vincent van Gogh und des deutschen Expressionismus aufwiesen, die der junge Kunststudent damals in Ausstellung erfahren hatte.
Ab 1935 begann sich der Künstler besonders auf die Illustration des Lichtes und dessen Auswirkung auf die Landschaftsformen zu konzentrieren, was sich in einer Zunahme an atmosphärischer Stimmung und einer Aufhellung des Kolorits in seinen Werken manifestierte. Die Konturen der einzelnen Landschaftselemente lösten sich immer mehr in Luftatmosphäre auf und der Farbauftrag wurde dünner und feiner. Diese intensive Beschäftigung mit dem Problem Licht, es als materielle Substanz auf die Leinwand zu bannen, verband ihn mit einem weiteren Protagonisten des Nötscher Kreises, den um eine Generation älteren Maler Franz Wiegele. Mit ihm stand er bis zu dessen Tod durch einen Bombenabwurf auf Nötsch am 17. Dezember 1944 in enger freundschaftlicher Beziehung. Nicht nur dieses tragische Ereignis brachte für Anton Mahringer in diesem Jahr eine Veränderung in seinem Leben, sondern auch ein Wechsel seines bisherigen Wohnortes. Er übersiedelte mit seiner Frau Regina und den vier Kindern Monika, Clemens, Regina und Peter von Labientschach in das benachbarte, höher gelegene St. Georgen in ein gemietetes Haus, das sich im Eigentum der Familie Jost befand. In unmittelbarer Nähe gab es einen eingezäunten Obstgarten mit knorrigen alten Zwetschkenbäumen, die je nach Jahreszeit einen mehr oder weniger guten Blick vom Atelier des Künstlers auf den St. Georgener Kirchturm erlaubten. Dieses Sujet, das er zu den unterschiedlichen Tageszeiten und im saisonalen Jahreswechsel einfing, wurde zu einem der Lieblingsmotive des Künstlers in diesem Zeitraum, bei dem er sich eingehend auf die formalen Mittel seiner Malerei fokussieren konnte.
Letztendlich bezog die Familie Mahringer 1956 ein eigens für sie gebautes Haus mit Atelier im Ortszentrum von St. Georgen. Die finanzielle Basis für die Errichtung des Eigenheims ermöglichte ein Auftrag von fünf Landschaftsbildern für die österreichische Botschaft in Ottawa. Vom Fenster und Balkon des neuen Ateliers eröffnete sich eine grandiose Aussicht auf die von Mahringer so geschätzte und geliebte Landschaft des Gailtales. Vor allem der massive Felsstock des Dobratsch war in seiner Dominanz und Schönheit gut sichtbar und diente dem Künstler als permanente Grundlage für seine malerischen Auseinandersetzungen. Mit Hilfe der zahlreichen Motive, die Anton Mahringer dem Gailtal entnommen hatte, entwickelte er im Laufe der Jahre seinen sehr persönlichen und konsequent verfolgten Malstil, der ihn zu einer immer stärker werdenden Reduktion der Charakteristika dieser Kärntner Region führte, ihn aber nie zur gänzlichen Abstraktion des Naturvorbildes brachte. Die Gegenständlichkeit blieb stets sein bewusstes Anliegen und wurde von ihm als intensives Erlebnis der Natur in einer unverwechselbaren Formensprache festgehalten.
Die Gattung der Landschaftsmalerei äußerte sich in Kärnten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts äußerst vielseitig und Anton Mahringer war ein unverzichtbarer und wichtiger Teil davon. Daher ist es uns in dieser Ausstellung ein Desideratum, in direktem Vergleich mit ausgewählten Landschaftsbildern seiner Zeitgenossen einen Einblick in die Bandbreite der künstlerischen Möglichkeiten zu bieten, die unterschiedlichen Intentionen zu zeigen und unseren Maler in den allgemeinen Kontext der zeitlichen Genese zu stellen. Daher ergänzen beispielsweise Arbeiten von Herbert Boeckl und des mit ihm befreundeten „Klagenfurter Kreises“, der sich in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre gebildet hat und zu dem u. a. Willibald Zunk und Arnold Clementschitsch angehörten, die Schau. Auch Bilder von Werner Berg, mit dem Mahringer in persönlichem Kontakt stand, veranschaulichen die malerische Interpretation einer bestimmten ländlichen Gegend auf eigenständige und meisterhafte Weise. Abschließend ermöglichen noch Werke von Cornelius Kolig und Alex Amann einen Ausblick auf Künstler, die sich im Gailtal nach Mahringers Tod ebenfalls mit dem Thema Landschaft auseinandergesetzt haben.
Kuratorin der Ausstellung: Sigrid Diewald